Wir sollten die Mehrwegverpackung mehr würdigen

Ein Gespräch mit Christian Behrens von der Deutschen Umwelthilfe (DUH)

Wir freuen uns Christian Behrens, Projektmanager im Bereich Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe als Gesprächspartner, gewonnen zu haben. Im Gespräch mit ihm geht es um Mehrwegverpackungen und warum diese immer den Vorrang vor Einwegverpackungen haben sollten. 

Hallo Herr Behrens, schön, dass wir heute mit Ihnen im Rahmen unserer ReUse Summer School und ganz speziell über Ihre Erfahrungen mit Einwegmüll und einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen sprechen können.

Was ist denn Ihr Eindruck bezogen auf Einwegmüll vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und Maßnahmen rund um die Covid 19 Pandemie?

Der Eindruck ist ganz klar: die Menge an Einwegverpackungen hat zugenommen und das ganz speziell im Außer-Haus-Konsum von Speisen und Getränken. Die Verpackungen liegen überall herum und die Abfalleimer quellen über.

Meiner Meinung nach liegt der Grund dafür darin, dass viele Gastronomiebetriebe darauf umgestellt haben, ausschließlich oder vermehrt Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. Zu dieser Entwicklung passen auch die Aussagen des Dualen Systems Deutschland – besser bekannt als der Grüne Punkt. So wurde festgestellt, dass alleine im März und April 2020 ein Anstieg von 11% des Verpackungsaufkommens privater Haushalte im Vergleich zum Vorjahr erfolgte.

Es wurden und wird schlichtweg einfach mehr mitgenommen, mehr bestellt und mehr zu Hause konsumiert. Und eben dieser deutliche Anstieg bereitet uns bei der Deutschen Umwelthilfe Sorge.

Christian Behrens, Projektmanager im Bereich Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe
Christian Behrens, Projektmanager im Bereich Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, ©Finke (DUH)

Es gab also eine deutliche Verschiebungen vom gewerblichen zum privaten Müllaufkommen?

Ja, genau. Negativ kommen dann auch die kleineren Verpackungsgrößen zum Tragen, die nun in den privaten Haushalten anfallen. Außerdem gab es bei den VerbraucherInnen eine erhebliche Unsicherheit bezogen auf den Einkauf an sich und bezüglich der Hygieneregeln.

So ist das verpackungsfreie Einkaufen weniger beliebt als vor der Krise, weil sich die KundInnen schlichtweg nicht sicher waren, ob es eine Gefahr gibt. Und das trotz klarer Aussagen von Virologen oder des Lebensmittelverbandes.

Gab es diese Unsicherheit der VerbraucherInnen denn auch bezogen auf Mehrwegbecher oder Mehrwegsysteme?

Leider ja. Wir haben dazu eine Umfrage im Gastronomiebereich, also bei Bäckereien, Kaffeeketten und Tankstellen durchgeführt und mussten ganz klar feststellen, dass es Einschränkungen im Angebot gab.

So sind mitgebrachte Becher fast nirgendwo mehr befüllt worden und auch bei der Nutzung der Mehrwegsysteme (z.B. FairCup oder ReCup) ist deren Nutzung nach Aussage der Anbieter deutlich zurückgegangen. Auch hier kann ich es nur noch einmal wiederholen, dass dies im Widerspruch zu der Äußerung des Lebensmittelverbandes steht, der schon sehr früh gesagt hat, dass es unter Einhaltung einiger weniger Vorgaben kein Risiko bezüglich der Nutzung von Mehrwegsystemen gibt.

Gab es diese Unsicherheit der VerbraucherInnen denn auch bezogen auf Mehrwegbecher oder Mehrwegsysteme?

Mit Sicherheit. Ich habe den Eindruck, dass da vieles in Richtung vorauseilendem Gehorsam des Handels ging. So hat der Handel früh reagiert, um bestimmt auch möglichen Diskussion aus dem Weg zu gehen. Potentielle Beschwerden von KundInnen, die die Befüllung eines Mehrwegbecher anderer KundenInnen vielleicht kritisiert hätten, sollten unbedingt vermieden werden.

Es wurde als sehr vorsichtig gehandelt und gleichzeitig unglücklich kommuniziert. Weder hat der Lebensmittelverband, noch haben andere Stimmen das Gehör gefunden, dass sie verdient hätten. In der Summe wurde eine Sorge größer gemacht, als sie eigentlichen hätte sein sollen.

Leider begleitet uns das Thema der Hygiene um Mehrwegprodukte bereits seit Jahren – trotz all der vielen anderslautenden Einschätzungen, unter anderem ja auch vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Es wurde dann in der Krise sofort und reichlich unüberlegt entschieden, auf Mehrweg zu verzichten – mit den Folgen, die wir nun an jedem Mülleimer sehen können.

Mülleimer in Berlin, ©Sascha Krautz

Das stimmt und einen wirklich bitteren Nachgeschmack hinterlässt die Diskussion um die vermeintlich bessere Hygiene von Einwegprodukten und eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes. Konkret wurde bestätigt, dass die Kunststoffbeschichtung von vielen Einwegprodukten – darunter auch die von Pappbechern – giftig ist und die Produkte per- & polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in den Inhalt abgeben. Was bedeuten diese Erkenntnisse der Studie genau für die tägliche Nutzung von Einweggeschirr wie z.B. Pappbechern oder beschichteten Essensverpackungen?

Das Umweltbundesamt hat eine wirklich sehr umfassende Studie zu PFAS in verschiedenen Produkten veröffentlicht. Erfreulicherweise wurde diese auch von verschiedenen Redaktionen wie bspw. der FAZ aufgenommen. Für uns als Deutsche Umwelthilfe ist es aber besonders wichtig, den Fokus noch einmal deutlich auf eines unserer großen Themengebiete zu lenken: die to go Verpackung und die Coffee to go Becher.

Das gesundheitliche Risiko bei Pappbechern geht von fett- und wasserabweisenden Substanzen in der Innenbeschichtung der Becher aus. Das ist ein weiterer Grund dafür, auf ein Produkt zu verzichten, welches ohnehin viel zu häufig in der Umwelt landet, eine extrem kurze Nutzungsdauer besitzt und sehr einfach durch bereits existente Alternativen ersetzt werden könnte. Wir müssen diese Becher nicht benutzen und auch keine Pappverpackungen für unser Essen. Es gibt etablierte Möglichkeiten auf Mehrweg zu setzen. Wir sind auf diese potentiell gesundheitsschädlichen Einwegprodukte nicht angewiesen.

Vielleicht ist das auch ein guter Brückenschlag zu einer weiteren Herausforderung, der wir oft gegenüberstehen – Greenwashing. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach das Thema Greenwashing bzgl. recyclingfähiger Einwegprodukte wie Becher aus Bioplastik oder aus kompostierbaren Materialien? Unserer Ansicht nach ist das Thema sehr komplex und für den Endverbraucher quasi nicht zu durchschauen.

Bioplastik oder Biokunststoff ist und bleibt Kunststoff. Daher sollte genau darauf geachtet werden, welche Herstellung und welche Rohstoffe dahinterstehen.

Aber lassen Sie mich Ihre Frage noch einmal von vorne beantworten. Das Problem ist nicht nur, dass die VerbraucherInnen die Thematik Biokunststoff nicht richtig verstehen, sondern auch der Handel nicht. Gerade im Veranstaltungsbereich sind vor einigen Jahren Becher aus Polylactid (PLA), also Biokunststoff hergestellt aus Maisstärke, stark in den Mittelpunkt gerückt. Diese Produkte bieten aber gesamtökologisch keinerlei Vorteile im Vergleich zu Einwegprodukten. Es war sehr schwer auf der Ebene der Veranstalter ein Bewußtsein dafür zu wecken, dass wir dadurch nicht das Problem gelöst haben, sondern auf dem besten Wege sind ein Neues zu schaffen, weil bei den VerbraucherInnen der Eindruck erweckt wird, dass sie die Becher einfach nach dem Gebrauch in der Umwelt entsorgen können, weil sich diese dann ja vermeintlich biologisch abbauen.

Es muss also auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden. Für uns ist ganz klar, dass die massenhafte Produktion von Einwegverpackungen, ob aus nachwachsenden Rohstoffen oder anderen, nicht die ökologische Alternative sein kann. Stattdessen muss es immer das Ziel sein, Mehrwegprodukte und -systeme zu stärken, die es schaffen, Abfall zu vermeiden und CO₂ einzusparen.

Bioplastik birgt zudem das Risiko von Rebound-Effekten. D.h. dass dann noch mehr Einwegverpackungen genutzt werden, weil dessen Nutzung plötzlich legitimiert zu sein scheint.

Bleibt noch die Frage nach dem biologischen Abbau, der leider in der Praxis gar nicht stattfindet. Betrachten wir einmal den Entsorgungsweg:
– Über den Bioabfall darf Bioplastik nicht entsorgt werden,
– im Verpackungsmüll gibt es keine Sortierfraktion, d.h. letztendlich werden Produkte aus Biokunststoff dann aussortiert und landen in der Verbrennung.

Zusammengefasst ist die Verbrennung das häufigste Entsorgungsszenario für Biokunststoffe. Wenn wir uns nun die Abfallhierarchie aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz vor Augen halten, ist nur die vierte Stufe. Davor stehen die Abfallvermeidung, die Wiederverwendung und die stoffliche Verwertung – also das Recycling.

Noch einmal ganz deutlich: Biokunststoffe sind nicht vorteilhaft, sondern bergen im Gegenteil die Gefahr, dass Mehrwegsysteme nicht weiter unterstützt und genutzt werden.

Schaut man sich bspw. die Ökobilanz eines Mehrwegbechers aus PP (Polypropylen) im Vergleich mit Einwegprodukten aus PLA (Maisstärke) oder PET im Rahmen einer Großveranstaltung an, dann muss ein konventioneller Mehrwegbecher aus PP nur fünf Mal wiederverwendet werden, um die anderen Produkte zu schlagen. Und eben diese Becher haben eine Haltbarkeit von mehreren hundert Umläufen. Es ist also unstrittig, was die beste Lösung ist.

Neue Kontaktpunkte

Es werden neue Kontaktpunkte mit den VerbraucherInnnen geschaffen, die sicher auch dazu geeignet sind, sich für einen Refill zu entscheiden.

Höherwertig

Es werden neue Kontaktpunkte mit den VerbraucherInnnen geschaffen, die sicher auch dazu geeignet sind, sich für einen Refill zu entscheiden.

Positiv fürs Umfeld

Mehrwegprodukte beeinflussen das Umfeld positiv. Sie verringern den Müll im Umfeld einer Veranstaltung, eines Imbisses oder eines Cafés – es liegen einfach keine Pappen, Boxen und Einwegbecher herum.

Nicht zu vergessen: auch durch Einweg entstehen Kosten, die aber häufig an andere Akteure, zum Beispiel die öffentlichen Entsorgungsbetriebe, ausgelagert werden.

Kurzum mit Mehrweg habe ich da ein deutlich sauberes Ergebnis. Selbst wenn der Nutzer es nicht persönlich zurückbringt und auf seinen Pfand verzichtet, wird dies jemand anderes tun.

Das sind wirklich sehr spannende Einblicke. Parallel hat der Europäische Rat ja auch die Einwegplastik Richtlinie beschlossen, die im Sommer des kommenden Jahres auch in Deutschland in Kraft treten wird. Wie schätzen Sie die Chancen und Risiken ein?

Die EU-Richtlinie zu Einwegplastik sieht vor, dass ab Juli 2021 bestimmte Einwegprodukte, wie Einweg-Plastik-Besteck oder Essensboxen aus aufgeschäumten Polystyrol nicht mehr angeboten werden dürfen. Wir haben damit die Möglichkeit, Mehrwegprodukte in die Breite zu bringen. Es gibt schon viele erprobte Lösungen für Geschirr und Besteck – vor allem im Bereich von Veranstaltungen und natürlich auch für Kaffeebecher.

Auch für Trinkhalme gibt es bereits eine Reihe von Lösungen, obwohl diese eigentlich nur eines von vielen Produkten sind, haben sie eine breite öffentliche Wahrnehmung erfahren. Es ist gut zu wissen, dass Mehrwegalternativen zur Verfügung stehen.

In der Summe gibt es also schon etablierte Lösungen und es geht nun darum, dass diese gefördert werden, anstatt neue Einwegalternativen in den Umlauf zu bringen, die einfach nur aus anderen Materialien sind.

Aktuell sieht es glücklicherweise so aus, dass Seitens der EU, auch Biokunststoffe als Kunststoffe bewertet werden und dementsprechend ebenfalls unter die Richtlinie fallen. Dies gilt allerdings nicht für Einwegprodukte aus Papier oder Holz. Wenn die Nutzung in diese Richtung ginge, dann hätten wir nichts gewonnen. Gerade bezogen auf Papier haben wir in Deutschland jetzt schon den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch in der G20. Diesen sollten wir keinesfalls weiter nach oben schrauben, nur weil bei uns zu wenig Interesse an Mehrweg besteht.

Zum jetzigen Zeitpunkt setzen wir von der DUH uns ganz klar dafür ein, dass Einwegprodukte wie Essensboxen oder -becher mit einer zusätzlichen Abgabe von mindestens 20 Cent belegt werden sollten. Gleichzeitig sollten es verbindliche Mehrwegquoten bei der Ausgabe von Bechern und Essensboxen geben.

Bezogen auf die aktuelle Lage mit der Corona Pandemie ist es kurzfristig besonders wichtig, dass Anbieter von Mehrwegsystemen unterstützt werden. In Deutschland hat sich eine Mehrwegbranche mit viel Know-How und hocheffizienten Prozessen, beispielsweise bei der Reinigung von Mehrwegbechern und -geschirr, etabliert, die durch die aktuelle Krise und den Wegfall quasi aller Großveranstaltungen besonders stark betroffen sind. Deutschland hat hier einen echten Vorbildcharakter, den es unbedingt zu bewahren gilt.

Das waren super interessante Einblicke und ich hoffe, dass viele VerbraucherInnen und der Handel nun besser verstehen können, warum sie immer auf Mehrweg setzen sollten. Zum Abschluss noch drei ganz kurze Speed-Dating-Fragen:

Tee oder Kaffee? Wie trinken Sie ihn am liebsten?

Ich trinke schon ganz gerne mal einen Kaffee. Allerdings seit einiger Zeit nicht mehr so viel und dann einen kurzen genussvollen Espresso.

Welche Mehrwegverpackung für unterwegs sollte noch erfunden werden?

Zum Glück gibt es schon ganz viel. Alles was ich mir zuletzt gewünscht oder vorgestellt habe, war wenige Monate später zu haben. Jetzt gibt es zum Beispiel auch Hafermilch im Mehrwegflaschen. Auch Marmelade oder Aufstriche gehen langsam in diese Richtung. Da würde ich mich über noch mehr Angebote freuen.

Ihre Vision / Ihr Wunsch für eine nachhaltigere und fairere Welt?

Im Sinne des heutigen Themas in jedem Fall eine größere Wertschätzung für die Ressourcen, die wir nutzen. Wir müssen von einer Wegwerfgesellschaft zu einer langen Nutzungsdauer von Produkten kommen. Dazu muss auch das einzelne Produkt wieder mehr wertgeschätzt werden.

Außerdem wünsche ich mir, dass auch all die guten Ideen hinter den vielen Mehrwegverpackungen mehr gewürdigt werden. Wir denken so oft an den Inhalt, da könnten wir doch auch mal die Verpackung in den Fokus rücken.

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